Premiere für den Biowein

Nachhaltiger Anbau: Im Gespräch erklärt Winzer Jürgen Kissinger, wie Weiß- und Rotweine „grün“ werden. Ein langer Prozess, der sich lohnt – Für die Qualität des Weins und die Zukunft der Winzerfamilie

Gute Tropfen sollen sie alle mal werden – Tausende Trauben an den Weinhängen des Guts der Winzerfamilie Kissinger in Rheinland-Pfalz. Doch ein guter Wein muss nicht immer mit konventionellen Anbaumethoden hergestellt werden. Ganz im Gegenteil. Biologisch angebauter Wein schmeckt nicht nur mindestens genauso gut wie konventioneller, er bietet auch viele Vorteile für die Natur und die Zukunft derer, die ihn mit Geduld und Hingabe herstellen. Doch was unterscheidet ihn im Detail von konventionellen Weinen? Im Gespräch mit Winzer und Gutsbesitzer Jürgen Kissinger wird klar, dass es auch beim Biowein so ist wie bei vielen Dingen: „Der Erfolg liegt auch hier bereits in den Wurzeln“, sagt der Weinbauer. Denn die brauchen einen nährstoffreichen Boden, aus dem die Trauben ihre Energie zum Wachsen ziehen können. Da aber den Biorichtlinien entsprechend keine Mineraldünger gespritzt oder synthetischer Pflanzenschutzmittel verwendet werden, nutzt Kissinger Netzschwefel, Kupfer und Bestandteile von Backpulver, um die wertvollen Trauben vor Pilzbefall zu schützen und ihr Wachstum anzutreiben. Ohnehin die bessere Entscheidung, denn „Mineraldünger versalzen auf Dauer den Boden“, betont Kissinger eins der Probleme beim konventionellen Anbau. Da die zulässigen Pflanzenschutzmittel nicht ausreichen, müssen verstärkt Laubarbeiten per Hand betrieben werden. Immer wieder muss das Laub der Pflanzen gekürzt werden, um das Infektionsrisiko durch Pilze und andere Schädlinge auf natürliche Weise zu senken. Die meist bis auf die Reben kahlen Weinberge werden zudem ganzjährig begrünt. Vor allem „Stickstoffsammler“ – so nennt Kissinger Pflanzen, die Stickstoff im Boden einlagern – werden angepflanzt. Die Einlagerungen dienen den Trauben als zusätzliche Nährstoffe. Der Winzer arbeitet auch mit Kompost, „um mehr Bodenleben zu aktivieren“. Statt einer kargen Hydrokultur entsteht so ein gesunder, natürlicher Nährstoffkreislauf. Ein Gewinn für beide: Traube und Natur.

Seit über zwei Jahren bauen Kissingers ihren Wein bereits nach diesen Grundsätzen und Methoden an. Doch sich nach Lust und Laune dafür zu entscheiden, ist nicht möglich. Wie der Weinanbau selbst, erfordert eine solche Entscheidung vor allem Geduld. Während einer dreijährigen Umstellungsphase auf biologischen Anbau wird der Boden auf die neuen, naturbelassenen Anforderungen abgestimmt. Immer wieder finden zudem unangekündigte Kontrollen statt. Nahezu forensisch werden dabei Blattproben genommen, um kleinste Rückstände aufzudecken, die auf synthetische Mittel hindeuten. Auch die lückenlose Dokumentation des Anbauprozesses wird geprüft. 
Ist nach drei Jahren alles in Ordnung, kann mit der Lese begonnen werden. Meist per Hand werden die empfindlichen Trauben behutsam gepflückt und zum Hof transportiert. Durch den besonders schonenden Umgang müssen anschließend kaum unangenehme Gerbstoffe extrahiert werden. Auf Schönungsmittel die den Wein vor einer Trübung schützen, kann Kissinger somit verzichten. Der Verzicht ist keine Pflicht beim Biowein – Er macht es aus Überzeugung.

Mit eigenen Weinhefen vergoren, entwickelt sich so von der Ernte bis zur Reifung ein Wein mit besonderem Charakter – abgestimmt durch Erfahrung, Handwerk und Natur.

Dass dieser gesamte Prozess „mit deutlich mehr Handarbeit und sehr viel Arbeit im Weinberg“ verbunden ist, macht sich auch beim Preis bemerkbar. Allerdings geringer als man meist von Bioprodukten gewohnt ist. 30 bis 40 Cent kommen bei Kissinger zum Flaschenpreis dazu. Die diesjährige Ernte wird die erste sein, die als Wein im Verkauf ab März 2020 das offizielle Biosiegel tragen darf. „In mir hat es schon sehr lange geschwelt, auf Bioanbau umzustellen“, sagt der Gutschef, auch mit Blick auf die Zukunft seiner Weinberge. Letztendlich gehe es ihm darum, „das Wertvollste zu erhalten, was wir besitzen“.

So ist Kissinger der Überzeugung, dass „Weine aus Bioanbauflächen vielfältiger sind und mehr Persönlichkeit mitbringen“. Ein Qualitätsvorsprung gegenüber konventionellem Wein und Motivation genug, um sich dieser Form des Anbaus auch in Zukunft zu verschreiben. „Trotz des Mehraufwands, darf man nicht immer nur an die Betriebswirtschaft denken. Manchmal muss man auch einfach Dinge machen, bei denen man der Überzeugung ist, dass sie einfach besser sind.“ 
Sein Sohn Moritz, der eine Ausbildung zum Winzer macht, sieht es so wie sein Vater. „Er ist auch überzeugt davon, dass es der richtige Ansatz ist“, sagt Kissinger. In Zukunft soll sein Sohn den Betrieb der Familie übernehmen.

Ihre Kunden hat die Winzerfamilie von Anfang an an der Entwicklung des biologischen Konzepts teilhaben lassen. „Das wird mit großem Interesse verfolgt“, sagt er und freut sich über die Akzeptanz der Gutsausrichtung. 
Ob Weiß- oder Rotwein, der grünen Zukunft der Weinberge steht nichts mehr im Weg. 

Von Maximilian Mühlenweg

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